Herr Elker, Teil 02


Herr Elker nahm die letzte Stufe hin zum ersten Absatz und ließ sich auf der Bank nieder. Sein Atem kam schwer, aber er hätte wohl auch die nächsten Absatz noch geschafft. Es zahlte sich jedoch nicht aus, schnaufend im Senat zu erscheinen. Es hätte den Eindruck erwecken können, dass man es eilig hätte.
Er hatte sich noch nicht zurückgelehnt, da kam auch schon Nedbert Graf Frissen die Stufen hinauf, einen eleganten Stock in der Hand, dessen Aufsetzen auf den Stufen ein Klicken verursachte, dass selbst über den Lärm der Straße zu hören war. Das Frissengeschlecht gehörte nicht zum alten Patriziat sondern war "erst" vor 300 Jahren in den Adelsstand erhoben worden. Der Alte Graf war wahrlich ein patenter Mann gewesen, der die Sorgen seines Klientels ernst genommen hatte und genau wußte, welchen Wert Herrn Elkers Stimme besitzen konnte.
Der junge Graf Frissen hingegen mußte sich noch die Hörner abstoßen. Als junger Lehrling hätte Herr Elker ihn geschniegelt genannt, und geschmeidig. Heute erkannte er das Lächeln einer Raubkatze, wenn er es sah und Graf Frissen strebte an, die größte Tiger im Senat zu werden. Herr Elker hatte seine Ohren in allen Kreisen und viele Adlige und Industrielle waren bereit, sich mit ihm als neutralem Senator zu unterhalten und ihn auch schon mal um Rat anzugehen. Der Umgang mit dem jungen Grafen war derzeit das wichtigste Gesprächsthema und es wunderte Herrn Elker nicht. Als vorsichtiger Mann hatte er allen geraten, nicht auf die falsche Seite des Grafen zu geraten, aber dennoch ihren Meinungen treu zu bleiben (soweit sie Herrn Elkers Plänen entgegen kamen).
Deshalb wunderte es den alten Senator auch in keinster Weise, dass sich der jüngere direkt auf ihn zu begab und sich theatralisch auf die Bank niedersinken ließ, gerade so, als hätten ihn die Stufen ebenso erschöpft wie seinen älteren Amtskollegen.
Unter Senatoren war es üblich, sich höflich zu grüßen, Belanglosigkeiten auszutauschen und sich evtl. sogar nach der Familie zu erkunden. Allerdings hatten diese Bänke schnell ihre ganz eigenen Regeln aufgestellt, denn niemandem war daran gelegen, wenn er gerade keuchend zur Bank stolperte, unnütze Freundlichkeiten auszutauschen. Herr Elker fand diesen Niedergang an Form bedauerlich, zumal es der Erheiterung hätte dienen können, aber er war der letzte, der sich an diesem Ort über solche Dinge echauffiert hätte.
Wenn sich der junge Nedbert neben ihn setzte, dann war jedoch klar, dass er etwas wollte und dabei die Förmlichkeiten zu umgehen wünschte.

Herr Elker